Quentin Tarantinos neuer Western “The Hateful 8” wird nicht nur passenderweise als sein 8. Film betitelt, sondern gilt schon jetzt als die Sensation des Jahres. Da liegt mitunter daran, dass dieser Film nicht nur als analoger 65mm-Film gedreht wurde, er wird auch exklusiv als 70mm-Projektion in wenigen ausgewählten Kinos gezeigt. Auch in Deutschland wird der Film im Zuge einer Roadshow in 4 Städten in der analogen Fassung zu sehen sein, seine Deutschlandpremiäre feierte der Film im Zoo Palast in Berlin, desweiteren wird er im Savoy in Hamburg, in der Lichtburg in Essen und auch hier in der Karlsruher Schauburg zu sehen sein. Eine Gelegenheit, die sich kein Filmfan entgehen lassen sollte!
Der letzte große 70mm-Hype liegt nun schon ein wenig zurück, im November 2014 startete Christopher Nolans Interstellar auch im analogen Großformat, die Nachfrage war groß und lag nicht zuletzt an der Knappheit des Materials, in Deutschland gab es lediglich eine einzige Kopie! Quentin Tarantino entschied sich ebenfalls für die analoge Produktion seines Film und setzt damit ein Statement gegen die Digitalisierung. Er möchte die Leute wieder wirklich in die Kinos zurückbekommen, schließlich wird man den Film, so wie ihn Tarantino präsentieren will, nie zu Hause sehen können. Die Roadshow-Fassung des Films ist nicht nur ca 6 Minuten länger, sie besitzt zudem auch eine Ouverture und eine Intermission.
The Hateful 8 wurde genauergesagt in 5/70mm im Format Super Panavision 70 gefilmt, welches ein Seitenverhältnis von 2,76:1 aufweist. Dieses Format wurde bisher nur für 18 weitere Film überhaupt eingesetzt, die Ultra Panavision 70mm-Linsen wurden zuletzt bei dem Film Khartoum – Aufstand am Nil vor 50 Jahren verwendet. Nun kommen sie erneut zum Einsatz und verhelfen Tarantino zu einem unvergleichlich nostalgischen Filmlook.
Hier haben wir für euch eine kleine Zusammenfassung der üblichen Seitenverhältnisse:
Das Originalbild hat ein Seitenverhältnis von 3:2 und entspricht damit dem Seitenverhältnis vom klassischen Film.
Widescreen Format oder besser bekannt als 16:9 Seitenverhältnis.
Cinemascope Format mit einem Seitenverhältnis von 21:9.
Ultra Panavision 70 Format mit einem Seitenverhältnis von 2,76:1.
Aber macht das 70mm-Format die Filme wirklich besser?
Durch das analoge Großformat konnten auf der deutlich größeren Bildfläche vielmehr Bildinformationen verarbeitet werden, das projizierte Bild ist dadurch feiner, brillanter und detailreicher. Durch dieses ungewöhnlich breite Seitenverhältnis eröffnen sich ganz andere cinematografische Möglichkeiten. Es ist nicht nur möglich ein großartiges Panorama zu filmen, auch in Innenräumen besteht nun die Möglichkeit den Raum in seiner vollen Breite zu zeigen ohne sich dabei großer Kamerafahrten oder Schwenks zu bedienen. Ein Close-up oder eine Nahaufnahme zeigt in diesem Format nicht nur ein Detail, es wird ebenso ein Raum zu beiden Seiten geöffnet und verleiht dem Bild somit viel mehr Tiefe und Raumgefühl.
70mm-Filmmaterial ist nicht nur doppelt so breit wie herkömmliches 35mm-Material, die Auflösung beträgt auch nahezu 8k und anders als im digitalen Film werden helle Bereiche nicht überstrahlt. Warum wird diese großartige Technologie dann nicht für jeden Kinofilm verwendet? Leider sind die analogen Filmkameras groß und schwer in der Handhabung, viele moderne cinematografische Stilmittel und technische Hilfsmittel für Kamerafahrten (Dolly, Kran, Steadicam, …) sind dafür nicht geeignet und schränken die filmerische Freiheit ein. Leider sind auch die Produktions- und Vervielfälltigungskosten kaum zu decken im Vergleich zu digital produzierten Filmen. Dennoch bleibt diese Technologie den Filmliebhabern erhalten und wird für außergewöhnliche Produktionen wie „The Hateful 8“ eingesetzt.
Was wie eine großartige technologische Neuerung wirkt, existiert tatsächlich schon seit vielen Jahren. In den 1950ern und ‘60ern, als das Fernsehen die Leute immer mehr aus den Kinos trieb, holte die Filmindustrie zum Gegenschlag aus und veröffentlichte zum ersten mal 70mm-Filme in den Kinos. Große Klassiker wie „West Side Story“ fanden so ihren Weg zum Publikum und sind bis heute in Erinnerung geblieben. Auch heute scheint das Wiederaufleben des 70mm-Films aus ähnlichen Gründen statt zu finden wie zur damaligen Zeit, der Film kann nur vorort im Kino gesehen werden.
Selbst Animationsfilme wurden in 70mm produziert. Der erste Animationfilm in diesem Format war Disneys „Dornröschen“ aus dem Jahr 1959, darauf folgten noch „The Black Cauldren“ (1985) und „Atlantis: Das Geheimnis der verlorenen Stadt“ (2001).
Wir haben uns Tarantinos “The Hateful 8” in der analogen 70mm-Fassung in der Schauburg Karlsruhe angesehen und wir waren begeistert. Das Kinoerlebnis begann mit einer, für viele Kinozuschauer überraschenden, ca 4 minütigen Ouverture ganz im Sinne der klassischen Kinofilme. Die ungewöhnlich breite Leinwand bot einen wundervollen Einblick in den Charme des analogen Films. Schon zu Beginn sah man das charakteristische leichte Wackeln des Filmstreifens wie dieser durch den Projektor gezogen wurde, die 24 Frames gaben dem Film etwas nicht 100% perfektes und eine ungewohnte Natürlichkeit. Interessant war auch die musikalische Gestaltung des Films, ein starker Wechsel von großartiger Musik zu abrupter absoluter Stille. Auch inhaltlich ein wahrer “Tarantino” in einem großartigen nostalgischen Look.
Unser Fazit:
Nicht nur durch das große Format, sondern sowohl cinematografisch also auch inhaltlich, ganz großes Kino!
Wir würden uns freuen, wenn wir die nächsten Jahre mehr Filme im analogen Großformat im Kino sehen könnten.